Was die buildingSMART openBIM Awards 2025 mit KI im österreichischen Einzelhandel zu tun haben – und wie Retailer von Digital Twins, offenen Daten und KI profitieren.

Warum die openBIM Awards 2025 für den Handel spannend sind
Wenn im August in London die Finalisten der buildingSMART openBIM Awards 2025 bekanntgegeben werden, klingt das auf den ersten Blick nach einem Thema für Planer:innen, Baukonzerne und Ingenieurbüros – nicht für den österreichischen Einzelhandel. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Hier zeigt sich, wie offene Datenstandards, KI und digitale Zwillinge die physische Welt radikal effizienter machen. Genau diese Mechanismen stecken auch hinter moderner Retail Innovation, von Bestandsmanagement bis Omnichannel.
In dieser Ausgabe unserer Serie „KI im österreichischen Einzelhandel: Retail Innovation“ schauen wir auf die Finalisten der openBIM Awards 2025 – und leiten daraus konkrete Impulse ab, wie Handelsunternehmen in Österreich ihre eigenen Filialen, Lager und Prozesse mit KI und offenen Daten auf das nächste Level bringen können.
Du erfahren:
- welche Trends sich aus den prämierten openBIM-Projekten ablesen lassen,
- wie sich diese Konzepte auf digitale Filialen und Logistik im Handel übertragen lassen,
- und welche konkreten Schritte sich daraus für deine KI- und Datenstrategie im Retail ableiten.
Was hinter openBIM steckt – und warum es wie ein „BIM für den Handel“ braucht
Von offenem Bauen zu offenem Retail
buildingSMART International treibt seit Jahren offene Standards für den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken voran: von der Planung über die Errichtung bis zum Betrieb. Kernstück ist das IFC-Format, mit dem sich Gebäudedaten softwareunabhängig austauschen lassen.
Übertragen auf den Handel bedeutet das: Wir brauchen ein „IFC des Retail“, also offene, interoperable Datenmodelle für Filiallayouts, Regalpläne, Sensorik- und Kassendaten, die KI-Systeme nahtlos nutzen können.
Die Finalisten der openBIM Awards 2025 zeigen, wie ein solcher Ansatz in verschiedenen Kategorien – von Construction über Design bis Operations, Research und Technology – bereits heute funktioniert. Gerade die Operations-, Forschungs- und Technologieprojekte bieten spannende Parallelen zu KI im Einzelhandel.
Drei Prinzipien von openBIM, die für den Handel entscheidend sind
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Offene Standards statt Datensilos
Alle Beteiligten arbeiten auf einem gemeinsamen, dokumentierten Datenmodell. Im Handel wäre das die Basis, um Warenwirtschaft, IoT-Sensoren, KI-Preisoptimierung und E‑Commerce-Daten zu verbinden. -
Lebenszyklus-Perspektive
Vom Entwurf bis zum Rückbau werden Daten konsistent gehalten. Für den Handel bedeutet das: Vom Filialkonzept über Umbau, Sortimentswechsel, Energieoptimierung bis hin zum Re-Design laufen alle Entscheidungen datenbasiert und nachvollziehbar. -
Interoperabilität für KI-Anwendungen
Viele der nominierten Projekte kombinieren openBIM mit KI – etwa für LCA-Berechnungen, Digital Twins oder automatisierte Datenverknüpfung. Genau diese Kombination brauchen Retailer, um KI-Modelle mit konsistenten, sauberen Daten zu versorgen.
Was die openBIM-Finalisten über die Zukunft digitaler Assets verraten
Die Finalistenlisten umfassen acht Kategorien – von Construction for Buildings über Operations bis Technology und Research. Für den Einzelhandel sind einige Querschnittsthemen besonders relevant.
1. Operations: Digitale Zwillinge und KI im laufenden Betrieb
Unter den Finalisten finden sich Projekte, die Smart Water Supply Systems oder Geodaten-basierte Digital Twins für den laufenden Betrieb nutzen. Übertragen auf den Handel:
- Ein Geospatial Digital Twin einer Filiale oder eines Logistikzentrums könnte alle relevanten Informationen bündeln: Grundrisse, Regale, Energieverbrauch, Kundenbewegungen, Lagerbestände.
- KI-Modelle können auf dieser Basis etwa:
- Bestände dynamisch optimieren (welche Ware an welchem Standort?),
- Wege im Store für Mitarbeitende und Kund:innen effizienter planen,
- Energieverbrauch und Wartung vorausschauend steuern.
Im Awards-Umfeld wird klar: Die Kombination aus openBIM, IoT und KI macht aus statischen Gebäuden lebende, lernende Systeme. Genau das kann der österreichische Einzelhandel für seine Filialnetze adaptieren.
2. Research: KI + offene Daten = bessere Nachhaltigkeitsentscheidungen
Ein weiterer Finalist im Bereich Professional Research setzt KI und openBIM für Lebenszyklusanalysen (LCA) ein, um Materialdaten zu ergänzen oder abzuleiten. Für den Retail ergeben sich starke Parallelen:
- Viele Einzelhändler arbeiten an ESG-Strategien und müssen den CO₂-Fußabdruck von Filialen und Sortimenten berichten.
- Mit offenen Datenmodellen für Filialausstattung, Kühlmöbel, Beleuchtung und Logistikwege könnte KI automatisch Umweltauswirkungen berechnen und Optimierungsvorschläge machen.
Das Prinzip:
KI füllt Lücken in den Daten, verknüpft verschiedene Quellen und macht Nachhaltigkeit mess- und steuerbar – vorausgesetzt, die Daten folgen einem einheitlichen, offenen Standard.
Für Handelsunternehmen bedeutet das: Wer heute seine Gebäude- und Betriebsdaten strukturiert und offen denkt, schafft die Basis für künftige KI-Nachhaltigkeitslösungen.
3. Technology: Automatisierte Datenverknüpfung und Klassifikation
In der Kategorie Technology tauchen Lösungen auf, die mittels KI:
- IDS (Information Delivery Specifications) automatisch anwenden,
- Klassifikationen über openBIM-Modelle hinweg ausrollen,
- ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit über standardisierte Datenmodelle abbilden.
Übertragen auf den Handel ergeben sich drei sehr konkrete Anwendungsfelder:
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Automatisiertes Flächen- und Regalmanagement
KI liest Filial- und Regalpläne aus (z.B. aus CAD/BIM-ähnlichen Daten) und verknüpft sie automatisch mit Absatz- und Bestandsdaten. -
Standardisierte Produkt- und Standortklassifikation
Ähnlich wie openBIM-Standards Objekte klassifizieren, könnten Retailer einheitliche Produkt-, Regal- und Standortklassen definieren, die in allen Systemen gelten – von ERP bis Instore-Analytics. -
Schnellere Rollouts neuer Konzepte
Wenn Filialdaten standardisiert sind, lassen sich neue Store-Konzepte, Sortimente oder Kassensysteme skaliert ausrollen, weil KI die Anpassungen an lokale Gegebenheiten automatisiert vornimmt.
Vom openBIM-Projekt zur digitalen Filiale: 4 Handlungsfelder für den Handel
Wie lässt sich die Innovationskraft der openBIM Awards 2025 konkret in die KI-Strategie eines österreichischen Handelsunternehmens übersetzen? Vier Handlungsfelder stechen heraus.
1. Digitale Zwillinge für Filialen und Lager aufbauen
Viele Finalisten zeigen, wie ein Digital Twin zum zentralen Nervensystem einer Anlage wird. Für den Handel heißt das:
- Erstelle ein einheitliches, räumliches Datenmodell deiner wichtigsten Standorte (Filialen, Zentrallager, Dark Stores).
- Ergänze es mit:
- Echtzeitdaten aus Kassensystemen,
- IoT-Sensoren (Temperatur, Füllstände, Frequenz),
- Bestands- und Lieferdaten.
- Nutze KI, um:
- Bestände zu prognostizieren (Demand Forecasting),
- Planogramme zu optimieren (welches Produkt an welchem Platz?),
- Serviceeinsätze (Wartung, Reinigung, Umbau) effizient einzuplanen.
Wichtig: Wie bei openBIM sollte der Digital Twin auf offenen, dokumentierten Datenstrukturen basieren – nicht als reines Vendor-Lock-in‑Projekt.
2. Offene Datenstandards für Retail-Informationen definieren
Die Stärke von buildingSMART ist nicht nur Technologie, sondern vor allem Standardisierung und Governance. Der Handel kann daraus lernen:
- Entwickle ein unternehmensweites Datenmodell für
- Filialen (Layouts, Ausstattung, Kapazitäten),
- Lager- und Logistikstrukturen,
- Produkte (Attribute, Nachhaltigkeitsdaten),
- Kundendaten (anonymisierte Segmente, Verhaltensmuster).
- Sorge dafür, dass dieses Modell in allen Systemen reflektiert wird: ERP, CRM, WMS, POS, E‑Commerce, BI & KI-Plattform.
- Definiere Verantwortlichkeiten: Wer pflegt welche Daten? Wie werden neue Felder und Klassen eingeführt?
So schaffst du die Grundlage, dass KI-Lösungen – von Preisoptimierung bis Kundenanalyse – auf konsistenten und interoperablen Daten aufsetzen.
3. KI gezielt dort einsetzen, wo openBIM-Projekte heute schon Mehrwert liefern
Die openBIM-Finalisten nutzen KI vor allem in drei Bereichen – die sich 1:1 auf den Handel übertragen lassen:
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Automatisierung von Routinetätigkeiten
Im Bauwesen etwa automatische Mengenermittlung oder Klassifikation. Im Handel:- automatische Wareneingangskontrolle,
- KI-gestützte Regalverfügbarkeitsprüfungen,
- automatisierte Plausibilitätschecks im Bestandsmanagement.
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Entscheidungsunterstützung für komplexe Fragen
LCA-Analysen im Bauwesen entsprechen im Handel- Sortimentsoptimierung nach Marge, Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit,
- Filialnetzoptimierung (welcher Standort, welche Größe, welches Konzept?).
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Simulation und Szenarienplanung
Digital Twins im Bau simulieren Bauphasen und Betriebsweisen. Im Handel lassen sich- neue Layouts,
- Servicekonzepte (z.B. Self-Checkout vs. Bedienkassen),
- oder Promotion-Platzierungen virtuell durchspielen, bevor Kosten im realen Store anfallen.
4. Omnichannel-Strategie mit physischen Daten verzahnen
Viele openBIM-Projekte verbinden Infrastruktur-, Betriebs- und Nutzungsdaten. Im Handel ist der analoge Zwilling dazu die Verbindung von:
- Online-Verhalten (Suche, Klicks, Käufe),
- Instore-Daten (Frequenzen, Laufwege, Kassendaten),
- Logistik und Bestand (Verfügbarkeit in Echtzeit).
Eine KI-gestützte Omnichannel-Strategie profitiert massiv davon, wenn die Filiale nicht mehr „Black Box“ ist, sondern – ganz im Sinne von openBIM – als transparentes, datengetriebenes System verstanden wird.
Praxischeck: So starten österreichische Händler in Richtung „open Retail“
Zum Abschluss einige pragmatische Schritte, mit denen Handelsunternehmen 2025/2026 beginnen können, die openBIM-Lehren für sich zu nutzen.
Schritt 1: Dateninventur und Zielbild
- Welche Datenquellen existieren heute? (POS, ERP, CRM, Lager, Sensorik)
- Wo liegen Daten-Silos? Welche Systeme sprechen nicht miteinander?
- Wie sieht ein Zielbild 2027 aus – z.B.: „Digitaler Zwilling der Top‑20‑Filialen mit KI-gestütztem Bestandsmanagement und Preisoptimierung“.
Schritt 2: Pilot-Digital-Twin für eine Filiale
- Wähle eine repräsentative Filiale.
- Erfasse Grundrisse, Regale, Warengruppen und relevante Sensorikdaten in einem einheitlichen Modell.
- Nutze eine KI-Anwendung, um z.B. Out-of-Stock-Situationen zu prognostizieren und Planogramme anzupassen.
Schritt 3: Retail-Datenstandard definieren
- Entwickle gemeinsam mit IT, Fachbereichen und ggf. Partnern ein Basis-Datenmodell (Objekte, Attribute, Beziehungen).
- Dokumentiere es so, dass es systemübergreifend genutzt werden kann.
- Denke von Anfang an an KI-Fähigkeit: klar definierte Felder, semantische Konsistenz, Historisierung.
Schritt 4: KI-Use-Cases priorisieren
Starte dort, wo Nutzen und Machbarkeit hoch sind:
- Bestandsprognosen zur Reduktion von Abschriften,
- Dynamische Preisoptimierung auf Basis Nachfrage, Wettbewerb und Haltbarkeit,
- Kundenanalyse zur besseren Segmentierung und Personalisierung.
Alle diese Use-Cases profitieren – wie in den openBIM-Projekten – von sauberen, offenen und gut strukturierten Daten.
Fazit: Was openBIM Awards und KI im Handel verbindet
Die buildingSMART openBIM Awards 2025 zeigen eindrucksvoll, wohin die Reise in der gebauten Umwelt geht: offene Standards, digitale Zwillinge, KI-getriebene Optimierung und Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus. Für den österreichischen Einzelhandel ist das kein fernes Spezialthema, sondern ein Blick in die eigene Zukunft.
Wer seine Filialen, Lager und Omnichannel-Prozesse heute als datengetriebene Assets versteht, kann die gleichen Prinzipien nutzen:
- Offene, standardisierte Datenmodelle,
- KI-gestützte Entscheidungen im Alltag,
- Simulations- und Digital-Twin-Ansätze für Layout, Bestand und Service.
Die zentrale Frage lautet:
Willst du in drei Jahren noch mit isolierten Systemen und Bauchgefühl arbeiten – oder jetzt die Grundlage für einen „open Retail“ legen, in dem KI dein Geschäft verlässlich steuert und optimiert?
Wer diese Frage früh beantwortet und sich an den Leuchtturmprojekten aus der openBIM-Welt orientiert, verschafft sich im Wettbewerb um Effizienz, Kundenerlebnis und Nachhaltigkeit einen klaren Vorsprung.